„Das Einzige, was ich bedauere ist, dass ich nicht radikal genug war in meinem Leben als Künstler.“

Diesen Satz soll ein Künstler auf seinem Sterbebett gesagt haben. Mich begleitet dieser Satz seit vielen Jahren und er trug maßgeblich zu meiner künstlerischen Entwicklung bei. Ursprünglich geleitet von der Suche nach der perfekten Form, die es wert ist, in Stein gearbeitet zu werden, kamen mit den Jahren immer mehr inhaltliche und politisch-weltanschauliche Aspekte hinzu, die mich beschäftigten: Umweltzerstörung, globales Artensterben, Migration und zunehmende Gewalt bringen alle tradierten Sicherheiten ins Wanken und müssen in den künstlerischen Schaffensprozess Eingang finden. So sucht sich der Inhalt sein Medium.

Ursprünglich waren meine Medien Stein und Bronze, die sich sukzessive  erweiterten, um Inhalte oder Aussagen lebendiger und erfahrbarer zu machen. Das Ideal des „Uomo universale“, das seit der Renaissance den umfassend gebildeten Menschen (und Künstler) zum Vorbild hat, ist auch leitmotivisch für meine Arbeiten. Die inhaltliche Aussage bestimmt die Ausgestaltung einer Arbeit. Form follows Idea. Dennoch geht es nicht um Schnelllebiges, keinesfalls um Moden, sondern um das Grundlegende, Universelle in den Arbeiten, die jeder verstehen und lesen kann. Somit sind meine Arbeiten  stets auch eine Aussage zu den großen Themen der Menschheit und Menschwerdung und -bleibung.

Was ist denn dann Kunst? Kunst weist immer über sich selbst hinaus. Ist immer in einem Kontext zu den großen Fragen, die die Menschheit immer schon beschäftigt hat. Werte-Orientiertheit. Sicherheit versus Sicher-Geglaubtes. Was ist die Konstante in einem Leben, wenn es nicht von Werten getragen ist?

Kunstwerke, die nicht über sich selbst hinaus weisen sind bloßes Ornament und keine Kunst.

Beginnend mit der Erkenntnistheorie, dass die menschliche Wahrnehmung durch Vorannahmen entscheidend determiniert wird, habe ich mich zunächst künstlerisch dem Banalen, Alltäglichen zugewandt. Dazu gehören zum Beispiel Gullis oder Falten oder Regentropfen. Jeder weiß genau, wie ein Gulli aussieht – und keinem ist dabei klar, dass es sein höchst-persönlicher Gulli ist. Irgendwann in der Kindheit vielleicht, hat man einen Gulli ganz genau betrachtet und abgespeichert. Es ist eine Form der Ökonomie des Gehirns, dass es von da an nicht mehr jeden Gulli genau betrachten muss, weil man ja weiß, wie so etwas aussieht. Dabei gibt es eine Unzahl an Gulli-Varianten! Genauso verhält es sich mit Äpfeln, zum Beispiel. Oder der Faltenwurf eines verrutschten Teppichs – man glaubt zu wissen, wie so etwas aussehen muss. Aber keine einzige Falte in einem Stück Stoff oder textilen Gewebe gleicht einer anderen – oder dass es dabei Druck und Zug geben muss. Alles das wird unterlaufen von der Ökonomie des Gehirns – das geht ausnahmslos jedem so.

So entstanden mehrere Werkszyklen in Stein, die das Thema eines Gullis variierten, oder das Thema von Wellen. Neben formal bestimmten Arbeiten sind auch Tiere und Menschen ein großes Thema, das eine unglaubliche Bandbreite an Ausarbeitungen zulässt, um eine inhaltliche Aussage damit zu verbinden.

Vielleicht gibt es wirklich so etwas wie eine feministische Kunst. Dies kommt aber nicht zwingend aus der Wahl der Materialien – sondern es betrifft die Art zu denken: Frauen haben einen anderen Blick auf die Dinge. Das ist evolutionär vorgegeben, denn wer als potentielle Mutter für Kinder mitdenken muss, Verantwortung trägt, hat einen anderen – vielleicht nachhaltigeren – Blick auf die Welt. Themen wie Profit, quick wins und Ausschöpfung unserer Lebensgrundlagen passen nicht in das genetische Programm von Frauen.

Für ein Leben als Künstler braucht man einen Hang zu Selbstausbeutung, muss Überzeugungstäter sein. Hingabe und Wahrhaftigkeit bei der Arbeit sind eine essentielle Voraussetzung. Die intrinsische Motivation, sich selbst Ausdruck zu verleihen und die Hoffnung, die Welt damit zu verändern, treibt alle Künstler gleichermaßen an. Es ist für mich ein bisschen so, als würde man mit dem Finger in die Ewigkeit eintauchen. Der Prozess des Schaffens selbst ist jedes mal durchzogen und intensiv durchtränkt mit Zweifeln, mit Fragen und großen Emotionen. Und unfassbar beglückend, wenn etwas gelingt. Eine Geling-Garantie freilich hat man nie.